Warum ich Bücher schreibe
Mit siebzehn Jahren hatte ich den schlimmsten Liebeskummer meines Lebens. Der Mann, um den es ging, ist inzwischen einer meiner besten Freunde, aber mit siebzehn wusste ich davon noch nichts. Die Welt war zerbrochen. Mein Leben hatte, wie ich mit der ganzen Weisheit von mehr als eineinhalb Jahrzehnten sterbliche Existenz in mein Tagebuch schrieb, jeglichen Sinn verloren.
Ganz offenbar brauchte ich einen neuen Grund, der das Weiterleben interessant erscheinen ließ. Aber wie sollte ich diesen Grund finden?
Ich fuhr mit dem Fahrrad an die Aue, den Fluss in meiner alten Heimatstadt Wunstorf in der Nähe von Hannover. Dort gibt es eine Fußgängerbrücke, unter der es eine kleine Anhöhe gibt. An dieser Stelle ist man gleichzeitig frei und geborgen. Die Brücke und der Fluss schirmen einen von der Welt ab und geben Schatten, aber an schönen Sommertagen fühlt man gleichzeitig die Weite und Freiheit in alle Richtungen. Die Luft riecht nach Wasser, Staub und frisch gemähtem Gras. Es ist ein schöner Platz, um zu lesen, für das Abitur zu lernen, als kleines Mädchen Piratenkämpfe auszufechten und als erwachsene Frau davon zu träumen, wie es sich früher angefühlt hat.
An diesem Ort saß ich mit siebzehn und betrauerte meine erste große Liebe, von der ich noch nicht wusste, dass sie sich in eine jahrzehntelange wertvolle und schützende Freundschaft verwandeln würde. Ich suchte nach Gründen zum Weiterleben, die über die bittersüße Schönheit dieses Augenblicks zwischen Wasser und Himmel hinausgingen.
Du könntest Geschichten schreiben, dachte ich plötzlich. Eine oder zwei gibt es bestimmt noch, bevor alles endet.
Wie funktioniert das mit dem Schreiben?
Es gibt viele Geschichten über Schriftsteller:innen, die mit ihrem ersten Werk sofort großen Erfolg hatten. J. K. Rowling, die Autorin von Harry Potter, ist ein gutes Beispiel für solche Übernacht-Erfolge. Tief innen hofft vermutlich jede neue Autorin, dass ihr erstes Buch gleich sofort ein Erfolg wird.
Für mich war es ein deutlich längerer Weg. Ich nahm als Schülerin an Schreibwerkstätten im Gemeindehaus Wunstorf teil und schrieb als Studentin einen Fantasy-Roman, den kein Verlag veröffentlichen wollte. Danach lernte ich parallel zu Studium, Referendariat und der Arbeit als Sonderschullehrerin bei Gyde Callesen die Grundlagen des Schreibhandwerks. Sieben Jahre dauerte das, und danach waren es weitere sieben Jahre, in denen ich Kurzgeschichten und Romane schrieb, von denen nichts auch nur annähernd an die gute Geschichte erinnerte, von der ich mit siebzehn geträumt hatte.
Auf meinem Weg lernte ich spannende Autorinnen kennen, wie die Fantasy-Kollegin Raywen White, von der ich viel über Liebesgeschichten und Romantik lernte, oder Ulrike Soßnitza, von der ich mehr über das Entwickeln historischer Romane erfuhr. Ich begann, Schreibanfänger:innen zu unterrichten, um mein Handwerk besser zu verstehen, und entdeckte irgendwann meine Liebe für Mentoring und Support für fortgeschrittene Autor:innen. An dieser Stelle begegnete ich auch der wundervollen Autorin und Lektorin Bettina Lausen, mit der ich inzwischen gemeinsam Kurse für Autor:innen gebe.
Braucht man all diese Umwege, dieses Handwerkszeug, um ein wirklich gutes Buch zu schreiben?
Für mich war es so. Ich liebe Geschichten. Ich bin schon als Mädchen zwischen Kuscheltieren und Büchern eingeschlafen und kenne das Gefühl, wenn man nachts davon aufwacht, dass sich eine harte Kante in die Wange bohrt. Aber auf mich allein gestellt, mit nichts weiter als ein paar Ideen, hätte ich niemals ein gutes Buch schreiben können. Ich musste das Schreibhandwerk lernen, wie andere das Klavierspielen lernen, und ich brauche den Austausch mit meinen Kolleg:innen bei DELIA und im BVjA.
Am Ende war es die Geschichte meiner Großmutter, die mir den Anstoß für das erste wirklich gute Buch meines Lebens gab. Davon erzähle ich im nächsten Blogartikel!


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